Trulla24's Blog

Zwangsweise freiwillig

Posted in Gesellschaft, HartzIV, Manipulation, Neusprech, Politik by trulla24 on 7. März 2010

Gestern auf der Fahrt zurück aus einer deutschen Großstadt nach Hause fiel mir die Kinnlade runter, als ich die Nachrichten hörte. Hatte doch Hannelore Kraft, Kandidatin der SPD in NRW um den Ministerpräsidentensessel, sich offensichtlich ein Argument von Westerwelle zu eigen gemacht, wohl auch, um in den Gewässern der populistischen Argumentationen von Westerwelle und seiner FDP zu fischen.

Nicht vermittelbare Langzeitarbeitlose sollen für „einen symbolischen Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze“ gemeinnützig arbeiten – etwa in Altenheimen oder Sportvereinen. „Wir müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden“, sagte die 48-Jährige dem SPIEGEL. Manch einer fühlte sich da an Sätze aus den Reihen der FDP erinnert.

Anstatt sich öffentlich für Mindestlöhne stark zu machen oder aber für eine saubere Finanzpolitik zu kämpfen, wendet sich Hannelore Kraft einem Thema zu, dass schon unter dem SPD-Superminister Clement für öffentlichen Zündstoff sorgte. Hatte Clement damals noch zugeben müssen, dass die Verwendung „Parasiten“ in Kombination mit Sozialhilfeempfänger deshalb so bewusst verwendet wurde, um für die HartzIV-Gesetze eine breite Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung zu erzielen, scheinen sich die Seeheimer Positionen in der SPD immer noch in manchen Köpfen der Oberen festgesetzt zu haben.

Heute saß ich mit einigen Kolleginnen aus dem Pflegebereich zusammen und wir unterhielten uns kurz über die Idee von H.Kraft. Fassungslosigkeit gepaart mit Unverständnis sprach aus den Gesichtern. Langzeitarbeitslose in Altenheime? Langzeitarbeitslose in die Freizeitgestaltung? Ohne zu wissen, was da auf sie zukommt? Und dies in einen Beruf, der sowieso sehr schwer ist und bei weitem unterbezahlt ist? HartzIV’ler sollen sich so in der Gesellschaft nützlich machen, in einer Berufssparte, in der es bis heute nicht geschafft wurde, einen Mindestlohn durchzusetzen?

In der Pflege können diese Menschen wohl kaum noch eingesetzt werden. Die, die dafür noch in der Lage sind, sind sicherlich schon diesen Weg gegangen – also in dieses Berufsfeld. Bleiben also noch die übrig, denen es bislang noch nicht eingefallen ist. Und ich will jetzt nicht diskriminieren, aber ich vermute, dass sowohl das Leseverständnis wie auch die Bereitschaft, auf Altersdemente eingehen zu können, bei diesem Personenkreis gen Null tendiert.

Und sollte sich diese Idee durchsetzen, besteht die ernste Gefahr, dass damit eine Verdrängung eines regulären Berufs stattfindet. Dass damit sich die Löhne im Pflegebereich noch weiter gedrückt werden. Dass damit die Erwartung auf einen Mindestlohn noch weiter gedrückt wird.

Das Gleiche gilt für den Einsatz von Langzeitarbeitslosen in der „Straßenreinigung“. Schnee- oder Laubkehren, das soll künftig von AL gemacht werden. Die Idee, die sich dahinter verbirgt, ist so offensichtlich – sollen damit doch die kommunalen Kassen entlastet werden. Es werden dann keine Angestellten mehr benötigt – greifen wir doch auf Langzeitarbeitslose zurück.

Glaubt Ihr, dass ich spinne? Nein, es gibt ausreichend und genügend Beispiele dafür, wie die 1EJ (Ein-Euro-Jobber) inzwischen immer mehr reguläre Arbeitsstellen verdrängen. Und sollte sich die Idee von H. Kraft umsetzen lassen, dann sehe ich die Würde der Alten und Schwachen in unserer Gesellschaft wirklich gefährdet. Während wir Unsummen zur Bankensanierung ausgeben, während wir uns unendlich lang über die Finanzierung von Krankenkassen kappeln, werden die Schwächsten unserer Gesellschaft vergessen – die Schwächsten, die keine Lobby hinter sich wissen: die Alten und ihre Familienangehören, wenn diese denn noch welche haben. Ansonsten aber ihre restliche Zeit in Pflegeheimen verbringen müssen, wo sie nach dem Motto „Hauptsache satt und sauber“ zu Tode gepflegt werden.

Mit ihrer Äußerung hat sich Hannelore Kraft und der SPD in NRW einen Bärendienst erwiesen. Und die Äußerung zeigt, dass in der SPD der soziale Gedanke endgültig verloren gegangen ist. Die wenigen SPD’ler, die mit mir auf einer Linie schwimmen, sind leider in der Minderheit und werden von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Und da uns kaum Gehör geschenkt wird, wird uns auch kaum jemand unterstützen. Und Hannelore Kraft reiht sich für mich in die Reihe der Politiker ein, die meinen, mit Plattitüden „politisch“ zu wirken. Die eher an eine Theke gehören (wobei dort manchmal sinnvollere Diskussionen stattfinden!) als in ein Parlament.

Auf der Süddeutschen steht heute ein Gastbeitrag zu lesen, vom kommissarischen Ratsvorsitzenden der EKD, Nikolaus Schneider. Und ich glaube, diese Position sollten sich 80% aller Politiker dick und fett hinter ihre Ohren schreiben.

Von Wahlinteressen geleitete Stimmungsmache hilft uns nicht weiter, beschädigt das Gemeinwesen und alle Menschen in Notlagen, vor allem die Kinder und Jugendlichen. Um der Dekadenz einer Wohlstandgesellschaft zu wehren, brauchen wir eine öffentliche Debatte, die die Anregungen des Karlsruher Urteils aufnimmt. Wir brauchen eine sozialpolitische Debatte, die von der Achtung vor der Menschenwürde geprägt ist und nach der notwendigen Weiterentwicklung des Sozialstaates fragt. Fangen wir damit endlich an!

So… ich weiß. Dieser Appell wird genauso im Nirvana verhallen, wie auch das Engagement von manchen Helfenden auch, die noch weniger pro Stunde verdienen als ein Briefträger. Die Kot wischen und windeln, die füttern und baden. Die sich anschreien lassen müssen und herzlich darauf antworten, die ihre Freizeit dafür opfern, sich um die Bewohner zu kümmern, damit diese seelisch nicht verkümmern. Die für knapp 8 Euro brutto die Stunde arbeiten und mit 50 Jahren über kaputte Rücken und Gelenke klagen.

Hier gilt es anzusetzen, wenn es um den Dienst in unserer Gesellschaft geht! Und nicht mit Stammtischparolen, die den derzeitigen Trend noch weiter stützen, wie u.a. von Hannelore Kraft (SPD in NRW) geäußert.

Ich entschuldige mich

Posted in Gesellschaft, Manipulation, Neusprech by trulla24 on 23. Februar 2010

„Ich entschuldige mich im Namen der Kirche in Deutschland bei allen, die Opfer eines solchen Verbrechens wurden.“

Hmmm.. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, entschuldigt sich?

Nehmen wir diese Formulierung doch jetzt mal auseinander. Er entschuldigt SICH, nicht etwa, dass er die Opfer um Entschuldigung bittet und es ihnen überlässt, diese anzunehmen…. Nein, mit dieser Formulierung nimmt Zollitsch den Opfern das Recht ab, selbst über das Recht zu entscheiden, das ihnen zugefügte Leid zu vergeben. Mit dieser Aussage erteilt Zollitsch seiner Institution die Absolution. Ein „Vos et Nos absolvo“ ist es, das einem nicht ausgesprochenen „Mea culpa“ vorauseilt.

Da anzunehmen ist, dass gerade Kirchenherren rhetorisch gut geschult sind und dies besonders mit Blick auf „Vergebung“, halte ich eine solche Formulierung wie „Ich entschuldige mich“ für grausam und die Opfer verhöhnend!

Stasi-Methoden im ÖRF?

Posted in Klientelpolitik, Manipulation, Neusprech, Politik by trulla24 on 21. Februar 2010

Wenn ich mir das Verhalten mit Blick auf die GEZ-Eintreibepraktiken ansehe bzw. in Erinnerung rufe, dann wundert mich auch das hier nicht mehr.

Im Kölner Stadt-Anzeiger ist auf seiner Online-Ausgabe ein Artikel erschienen, der sich mit Nikolaus Brender und seiner Abrechnung kurz vor seiner „Pensionierung“ durch das Gewurschtel von Roland Koch befasst.

Der scheidende ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender (61) hat eine parteipolitische Dominanz bei ARD und ZDF scharf kritisiert und spricht von einem internen «Spitzelsystem».

Dieses lebe davon, «dass Redakteure den Parteien Senderinterna zutragen», sagte Brender wenige Wochen vor seinem Abschied in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Brender spricht von «inoffiziellen Mitarbeitern» der Parteien, «wirklich vergleichbar mit den IM der DDR, die sich die großen Parteien in einem Sender wie dem ZDF halten».

Wenn das stimmt, die Politik sich also gezielt über Senderinterna informieren ließ, so versuchte und es auch tat!!!, nämlich die „Vierte Macht“ in unserem Staate auszuhebeln, dann ist unsere Republik nur noch korrupt. Nicht das profane Volk, das kann nichts dafür, sondern machtversessene und profil- wie auch karrieregeile Politiker und auch Journalisten. Denn die Politiker wären oder würden niemals, sollte die Behauptung von Nikolaus Brender stimmen, an ihre Informationen gelangen, wären auf der anderen Seite nicht Journalisten bereit, ihren Berufsstand zu verraten.

In dem Gespräch attackiert Brender die Landesregierungen und Parteien. «Es gibt Staatskanzleien, die bei den Sendeanstalten ihres Einflussgebiets anrufen und loben oder tadeln – je nach Gefälligkeit der Berichterstattung.» Vor allem kritisiert Brender die Unionsparteien: Auch wenn man nicht «die Union» sagen könne, «es gibt in der Union ein dunkles Schattenreich, das sich im Verwaltungsrat eingenistet hat und ihn mittlerweile zu dominieren versucht».

Ich bezeichne das als Stasi-Methoden. Eine Form der Meinungskontrolle, die in einem demokratischen Staat nicht zulässig ist. Nun warte ich gespannt auf ein erstes Urteil des BVerfG, das manche etablierte Partei inzwischen als „nicht verfassungsgemäß“ bezeichnet. Dies unke ich mal auch deshalb, weil in den vergangenen Jahren immer mehr Beschlüsse und Gesetze des Deutschen Bundestages für verfassungswidrig erklärt wurde.

Warum nicht wie in Frankreich?

Posted in einfach mal so, Gesellschaft, Manipulation, Neusprech, Politik by trulla24 on 21. Januar 2010

Leiharbeit ist hier in Deutschland der beste Weg in die Altersarmut. Oftmals sogar muss noch der Staat dem Leiharbeiter noch eine Finanzspritze geben, damit dieser zumindestens seine Grundsicherung erhält.

Leiharbeit hat zudem noch eine weitere negative Folge, nämlich durch die geringen Zahlungen in die Sozial- und Krankenkassen. Die Folgen spüren wir jetzt schon.

Leiharbeit ist auch ein Risiko, denn Leiharbeiter sind die ersten, die bei Gewinneinbrüchen zuerst auf die Straße gesetzt werden. Da sie meist aber noch ein „Stundenkonto“ haben, wird dieses aufgebraucht. Leiharbeiter bekommen kein Urlaubsgeld, und wenn, dann erst nach einer bestimmten Frist und dann auch nur einen Obulus.

Derjenige, der sich Leiharbeiter nennt, weiß sich zwar in einem Arbeitsverhältnis, das aber so unsicher ist wie nur sonst etwas.

Leiharbeit dient dem Lohndumping und somit der Gewinnmaximierung. Leiharbeiter werden in den seltensten Fällen fest eingestellt, und wenn, dann nur befristet.

Leiharbeit in Deutschland ist ein lukratives Geschäft, aber nicht für die Leiharbeiter, sondern für die Firmen, für die sie arbeiten.

Ver.di schreibt 2008 dazu:
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Klientelpolitik (u

Posted in Gesellschaft, Manipulation, Neusprech, Politik, Satire by trulla24 on 15. Januar 2010

Eines vorweg, damit keine Missverständnisse entstehen: ich bin kein FDP-Mitglied und werde es auch nicht sein, auch wenn manche Positionen der FDP in meinen Augen gar nicht so ganz schlecht sind. Aber die Themen, denen ich zustimmen könnte, sind wirklich in der Minderheit.

Zur Zeit wird der FDP Klientepolitik vorgeworfen, sie wolle auf Teufel komm raus ihre Wahlversprechen einhalten. Diese Vorwürfe betrachte ich mit einer großen Sorge. Dass die FDP mit damals schon unhaltbaren Versprechungen in den Wahlkampf gezogen war, war den meisten intelligenten und politisch interessierten Köpfen klar. Dass die FDP wohl auch ein Pool der Stimmen war, die mit der Politik der großen Koalition nicht einverstanden waren, aber weder bei den DIE GRÜNEN noch bei DIE LINKE eine Wahlalternative sahen, das herauszufinden, dazu brauchte es auch nicht unbedingt Meinungsforschungsinstitute.

Ehrlich? Ich finde es gut, dass die FDP versucht, im Sinne ihrer Wählerschaft ihre Wahlversprechen umzusetzen, egal wie irrsinnig sie zur Zeit auch sein mögen (oder manche auch nicht, wie z.B. die wieder eingeführte Absetzbarkeit der Steuerberatergebühren von der Steuer für Privatpersonen).

Erstaunlicherweise schreien die Parteien den Begriff „Klientel-Politik“ in den Raum, die dafür bekannt sind, Wahlversprechen zwar abzugeben, sich aber nach der Wahl dann daran nicht mehr zu erinnern. Wie oft hatten wir es schon, dass sich nach der Wahl auf einmal die Positionen änderten. Das, was offensichtlich während eines Wahlkampfes möglich sein sollte, stellte sich dann als nicht umsetzbar, da neue Bedingungen/ Umstände/ Konditionen bekannt….

In der Wikipedia findet sich folgende Erläuterung zum Begriff „Klientelpolitik„:

Klientelpolitik bezeichnet die Verfolgung einer Politik unter Ausklammerung des Gemeinwohls. Die handelnden Akteure verfolgen zu Gunsten ihrer Klientel eigene Interessen und treffen Entscheidungen, die auch zu Lasten der Allgemeinheit gehen können. Der Ausgleich verschiedener Teilinteressen wird zu Gunsten eines Einzelinteresses vernachlässigt.

In der Allgemeinsprache wird der Begriff Klientelpolitik vor allem als politisches Schlagwort zur Kritik am jeweiligen politischen Gegner verwendet. Eine allgemeine wissenschaftliche Definition des Begriffs existiert nicht. Die Grenzen zu Phänomen wie Korruption, Lobbyismus und Nepotismus sind fließend.

Diese Definition des Begriffes „Klientelpolitik“ ist wahrlich nicht positiv, wie auch der weitere erklärende Text nicht. Dennoch glaube ich, dass dieser Begriff nicht unbedingt einer solchen negativen Bewertung bedarf. Denn ich verstehe darunter auch etwas anderes, nämlich die Umsetzung von Wahlversprechen, die im Sinne der Wählerschaft sind.

Wenn nun Klientelpolitik wirklich negativ zu betrachten ist, dann frage ich mich, wo die Klientel der beiden großen Volksparteien zu suchen ist. Ist es nicht so, dass die Wähler der Parteien, egal welcher, eben auch „Klientel“ sind? Ist es nicht so, dass Anzahl der Nichtwähler gerade deshalb so zugenommen hat, weil sie eben ihre politischen Positionen trotz der vielen Versprechungen nicht mehr vorfinden? Sie sich als Klientel betrachten und feststellen, dass viele politischen Entscheidungen an ihren Interessen und Wünschen vorbei getroffen werden? Sie also glauben, dass es sich gar nicht mehr lohnt, wählen zu gehen, weil man doch immer wieder die gleiche Mischpoke vorfindet, die vorher Änderungen versprochen haben?

Ist es also wirklich so verwerflich, wenn nun eine Partei versucht, das durchzusetzen, was sie versprochen hat – egal wie irrwitzig es in der heutigen Situation (Stichwort: „Steuersenkung“) auch sein mag? Ist es die Partei schuld oder aber die Wähler, die mit ihren Stimmen sich etwas erhofften?

Was meint Ihr? Wie seht Ihr das?

Update:
Und damit Ihr seht, was ich mit Klientel-Politik und gehaltenen Wahlversprechen halte